15. November 2355
Das tiefe Schwarz des Alls umhüllte das Shuttle, welches vor wenigen Minuten den Weltraumbahnhof der Sternenflotte in San Francisco verlassen hatte. Der Flug zum einzigen natürlichen Satellit der Erde, dem Mond, dauerte in der Regel nur wenige Minuten. Heute war das jedoch anders. Die Luna Kolonien, so wurden im allgemeinen die Städte auf dem Mond genannt, bereiteten sich auf eines der größten Events der letzten Monate vor. Ein großes Wirtschaftsunternehmen, das Interstellar Research Center, feierte das fünfjährige Bestehen in der Konzernzentrale in New Berlin. Die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen aufgrund der vielen prominenten Gäste, sorgen für massive Behinderungen im normalen Flugverkehr, sowie dem täglichen Leben in den Kolonien.
„Mrs. Porter?“ fragte der Pilot, als er von der Leitstelle die Erlaubnis zur Landung eingeholt hatte. „In etwa zehn Minuten können wir in Tycho City landen.“ Die hochschwangere Frau im hinteren Teil des Shuttles nickte leicht und hoffte inständig, dass der Flug bald vorbei sein würde. „Was hab ich mir nur dabei gedacht.“, murmelte sie vor sich hin und rieb sich den Bauch. Das Baby hatte ihr einen ziemlich unangenehmen Tritt versetzt, als der Pilot die Triebwerke des Shuttles wieder startete. Normal war das leichte Vibrieren bei der Aktivierung des Antriebs nicht zu spüren, aber die kleine Maus war bei sowas ziemlich empfindlich. „Die drei Wochen wirst du es doch wohl noch aushalten, oder?“ flüsterte sie eher zu sich, als zu ihrem ungeborenen Kind. Seit Beginn der Schwangerschaft hatte sie sich geweigert, den Transporter zu benutzen, was nicht immer ganz leicht war. Aber Sie konnte es sich einfach nicht vorstellen in tausende Moleküle zerlegt zu werden und womöglich falsch wieder zusammengesetzt zu werden. Auch wenn Ihr jeder Arzt versicherte, dass die Transporter keine negativen Auswirkungen auf ihre Schwangerschaft haben würden, flog sie seitdem immer mit dem Shuttle.
Als Archäologin war es dadurch nicht einfach, da es auf der Erde nichts mehr zu erforschen gab und alle interessanten Ausgrabungen auf anderen Planeten zu finden waren. Das Angebot des IRC auf dem Mond eine Ausgrabung zu leiten, war die Gelegenheit für sie. Vor acht Wochen wurde sie von einem älteren Mann, er muss so um die fünfzig Jahre alt gewesen sein, in Ihrer Wohnung aufgesucht. Er sagte, auf dem Mond wäre ein unglaublicher Fund gemacht worden und er bräuchte ihre Hilfe. Aus einem Impuls heraus sagte sie zu, ohne Harry etwas davon zu sagen und bereute es schon wieder, als der Mann gegangen war. Aber ein Rückzieher war nicht mehr möglich. Der Mann vom IRC hatte ihr versichert, dass für Ihr medizinisches Wohl gesorgt werden würde und man alles für sie und ihre ungeborene Tochter tun würde. Es hatte sie überrascht, dass der Mann wusste, dass sie eine Tochter bekommen würde. Sie selbst hatte es erst vor einigen Tagen von ihrem Arzt gesagt bekommen und es noch niemanden erzählt. Aber in Ihrer Freude über den Job, hatte sie das schon bald wieder vergessen.
Harry, ihr Mann, war von dem Ganzen nicht begeistert. Nicht nur, dass sie sich nach der Hochzeit noch immer mit ihrem Geburtsnamen anreden ließ und nicht mit dem Familiennamen, sondern auch dass sie sich in ein solches Risiko stürzen wollte. Die Schwangerschaft mit ihrem gemeinsamen Sohn Steven verlief schon nicht besonders gut und das sie so schnell wieder schwanger wurde war einzig einem Unfall bei der Verhütung zu verdanken. Jeder Arzt hatte ihr von einer weiteren Schwangerschaft abgeraten.
„Harry, es geht mir gut.“ hatte Sie Ihrem Mann versichert, „Ich fliege nur zum Mond und das mit einem Shuttle. Tycho City und New Berlin sind weniger als fünf Minuten von der Ausgrabungsstelle entfernt und das IRC hat mir versichert, dass ein Arzt ständig anwesend sein wird.“ Auch wenn ihr Mann nicht begeistert war, musste er es hinnehmen, dass Sie diesen Job angenommen hatte. Stefanie von einer Idee abzubringen, war in etwa so erfolgreich wie einen Vulkanier zu erleben der einen Witz erzählt. So war die Diskussion über die Gefahren bei einer archäologischen Ausgrabung für eine hochschwangere Frau sehr schnell vorbei und Stefanie befand sich nun kurz vor dem Ziel.
Der Flug über New Berlin war immer wieder atemberaubend. Die ersten Menschen hatten etwa 2060 damit begonnen den Mond zu besiedeln und hatten hier die ersten Gebäude errichtet. Hermetisch abgeschlossene Strukturen um vor der tödlichen, dünnen Atmosphäre des Mondes geschützt zu sein. Über mehrere Quadratkilometer erstreckten sich die verschiedensten Gebäude. Landeplattformen für Shuttles, Transportröhren die alle Gebäude miteinander verbanden und kleinerer Lagerhallen mit Luftschleusen zum Andocken formten die Randbereiche der Stadt. Das Stadtzentrum bildeten einige Türme, die auf der Erde als Wolkenkratzer bezeichnet werden würden. Viele dieser Türme gehörten großen Unternehmen und bildeten einen Mix aus Büro- und Wohngebäude. Auch die Sternenflotte war in New Berlin mit mehreren Einrichtungen vertreten. Aber das imposanteste Bauwerk im Zentrum von New Berlin war die große zentrale gläserne Kuppel. Als Touristenzentrum, zentraler Park, Freizeiteinrichtung und zum Sauerstoffrecycling gedacht, wurde aus der Kuppel schnell etwas Größeres. Ein paar der größten zivilen Unternehmen und einige Einrichtungen der Föderation hatten sich hier niedergelassen und dazu geführt, dass New Berlin zu den einflussreichsten Orten in der zivilen Wirtschaft gehörte.
Die plötzliche Richtungsänderung des Shuttles riss Stefanie aus Ihren Gedanken. Der Pilot fluchte leise und schien einige Probleme zu haben. „Was ist denn los?“ fragte Stefanie besorgt und hielt sich an Ihrem Sitz fest als die Trägheitsdämpfer den Verlust der Flughöhe nicht kompensierten. Das Bugfenster des Shuttles zeigte nicht mehr die Schwärze des Alls, sondern das helle Grau der Mondoberfläche. Der Pilot antwortete nicht, sondern versuchte mit aller Macht das Shuttle abzufangen und den Absturz zu verhindern. Kurz bevor das Shuttle auf der Mondoberfläche aufschlug, zog der Pilot die Nase in einem steilen Winkel wieder nach oben und konnte so Schlimmeres verhindern. Wie ein Wasserflugzeug setzte das Shuttle im tiefen Mondsand auf und rutschte einige hundert Meter über den staubigen Boden. Die aufgewirbelte Staubwolke hing wegen der geringen Schwerkraft des Mondes noch lange über dem Shuttle, als dieses endlich stoppte.
Lee Michaels saß in seinem Büro und ging die letzten Vorbereitungen für die anstehenden Feierlichkeiten durch. Alles war für das Firmenjubiläum und die Präsentation der ersten Ergebnisse vorbereitet. Nach der Präsentation würden auch die Letzten von Ihrem Erfolg überzeugt sein. Der geplanten Expansion stand also nichts mehr im Wege. Das Signal einer eintreffenden Nachricht lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Terminal neben ihm. Er öffnete die Nachricht und schaute für einen Moment überrascht. Nachdem er die Nachricht gelöscht hatte, stand er auf und ging zum Fenster. Die Staubwolke am Horizont entlockte ihm ein kleines Lächeln. „Sie ist da…“ dachte er und wusste dass es begonnen hatte…
Computerlogbuch der U.S.S. Challenger
Kommandierender Offizier Captain Steven O’Seal
01 Dezember 2389
Die größte zivile Katastrophe der Föderation ist gerade mal sechs Wochen her. Fast 2,5 Millionen Tote, tausende Verletzte und die völlige Zerstörung von New Berlin hatten die Wirtschaft der gesamten Föderation empfindlich getroffen. Offiziell wird die Zerstörung der Kolonie einer Naturkatastrophe zugeschrieben. Aber tatsächlich war es einer der härtesten Anschläge auf die Föderation den es je gegeben hat. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, das unter der Konzernzentrale des Interstellar Research Centers eine gigantische Kristallhöhle entstanden ist, welche den Untergrund von New Berlin komplett unterhöhlte. Die Bodenerschütterungen die in der Kolonie schon seit mehreren Jahren registriert wurden, dessen Ursache man aber nicht finden konnte, sind Untersuchungen der Crew der U.S.S. Midway zufolge dem Wachstum der Kristalle zu verdanken. Ob die Kristallhöhle auf natürlichem Wege instabil wurde, weil die Struktur zu groß war oder aber mit der Drohung dieser unbekannten Frau in Verbindung steht, ist dem Geheimdienst noch nicht klar. Dem Außenteam der Midway zufolge, welches zum Zeitpunkt der Katastrophe vor Ort war, hat diese Frau ein Gerät betätigt und somit den Einsturz der Höhle verursacht. Die Challenger wurde damit beauftragt den Einsturz der Kolonie genau zu untersuchen und die Verbindungen mit dem IRC aufzuklären. Für die Midway stehen weit größere Aufgaben an. Sie sollen herausfinden, wie diese Frau so schnell verschwinden konnte und in welcher Verbindung sie zu Vincent McMahon steht. Dazu ist die Midway wieder in den Sektor 203 beordert worden und sollte in wenigen Wochen dort eintreffen.
Ich selbst werde gleich mit einem Außenteam in den Ruinen von New Berlin weitere Untersuchungen durchführen. Hoffentlich findet die Crew der Midway Hinweise auf diese Frau…