Der Regen prasselte an die Fenster des alten Blockhauses und starke Winde ließen die Dachbalken knarren. Drei Tage lang, fegte der Sturm schon über das Land und hatte zahlreiche Bäume in der Nähe bereits abknicken lassen. Die Lichtung, auf der das Haus stand, war normalerweise mit Moosen und Gräsern bedeckt. Doch nun war daraus eine einzige Schlammgrube geworden.
„Du hättest nicht kommen sollen.“, sagte der Mann am Fenster und warf einen besorgten Blick auf eine der alten Kiefern, die sich vom Wind gefährlich zu neigen begann. „Zum Jahreswechsel sind Stürme hier normal und man sitzt gerne mal mehrere Tage fest.“
„Das war mit bewusst als ich hergekommen bin.“, erwiderte der alte Mann, der es sich auf dem Sofa vor dem Kamin gemütlich gemacht hatte. „Ich habe noch einige Tage Urlaub und werde nicht so schnell wieder zum Dienst erwartet.“ Steven seufzte leise auf und ließ die Schultern hängen. Etwas, was er sofort wieder bereute, als ein stechender Schmerz von der Schulter in seinen Arm zog. „Was tust du dann hier?“, brummte Steven und versuchte dabei so zu klingen, als hätte er keine Schmerzen mehr. „Ich wollte nach einem guten alten Freund schauen.“
„Ach Shawn.“, murmelte Steven und wandte sich vom Fenster ab. Er betrachtet den alten Mann und schüttelte langsam den Kopf. „Mir geht es gut.“ Die Lüge war nicht besonders glaubwürdig, das wusste Steven. Er trug infolge eines kleinen Unfalls vor wenigen Wochen noch immer eine Halskrause und der linke Arm lag in einer Schlinge. Shawn musterte ihn vom Sofa aus, zog die Augenbrauen hoch, nippte an seinem Glas Scotch und murmelte: „Wenn du meinst, May sagt da was anderes.“ Steven verdrehte kurz die Augen, konnte sich ein Schmunzeln jedoch nicht ganz verkneifen. Langsam ging er zu einem der Sessel und ließ sich darin nieder. „Hat sie nichts Besseres zu tun, als in meiner medizinischen Akte zu schnüffeln?“
„Du kennst Sie doch.“, sagte Shawn schmunzelnd „Sie bekommt als Verbindungsoffizier nun mal Akten von zivilen Ärzten und Krankenhäusern zugeschickte, wenn Offiziere der Flotte verletzt und in zivilen Einrichtungen behandelt werden.“ Steven nickte langsam. „Schon klar alter Mann.“ Brummte Steven gespielt verärgert. „Du hast Sie auf mich angesetzt!“ Der alte Mann schaute empört auf und wollte etwas erwidern, ließ es aber bleiben, als er Stevens ernsten Blick sah.
„Wir machen uns halt einfach Sorgen um dich.“, begann Shawn nach einigen Minuten mit einem doch recht ernsten Tonfall. „Ich weiß, dass die letzten Jahre nicht das waren, war du dir vorgestellt hattest.“ Steven hob die Hand und unterbrach den alten Mann damit sofort. „Hör auf. Ich habe aktuell ein starkes Schleudertrauma, einen angeknacksten Wirbel und einen gebrochenen Arm. Abgesehen davon, geht es mir gut.“ Er lehnte sich im Sessel zurück und verzog kurz das Gesicht, als er seinen Arm in eine angenehmere Position bringen wollte. Shawns beunruhigten Blick entging ihm dabei aber nicht. „Und dass die letzten zehn Jahre nicht das waren, was ich mir vorgestellt hatte, ist die größte Untertreibung des Jahrhunderts.“ Er schwieg für einen kurzen Moment und sah sich dabei im Raum. Für einen gefühlte Ewigkeit blieben seine Augen auf den Bildern hängen, die auf dem Kaminsims standen. Fotos aus glücklicheren Tagen, von seiner Frau, den Kindern. Seiner Familie.
„Steven.“, bekannt Shawn in ruhigem Ton.
„Für Ihren Tot bist Du nicht verantwortlich.“, unterbracht Ihn Steven, ohne den Blick von den Fotos abzuwenden. „Sie war Offizier. Du brauchtest jemanden Undercover und Sie war die beste dafür.“ Er sprach dabei mit einem sehr neutralen und sachlichen Tonfall, der den Schmerz und die indirekte Schuldzuweisung nicht ganz verdecken konnte. „Außerdem.“, setzte Steven nach und sah zum Fenster: „War es ein Sturm wie dieser, nach der Mission, der…“ Er brach ab und sah zu seinem alten Freund. „Ich gebe dir keine Schuld. Nicht mehr. Und es geht mir wirklich gut.“, versicherte Steven. „Willst du noch einen?“, er deutet auf das leere Glas des alten Mannes.
„Bleib sitzen.“, erwiderte Shawn und stand auf. Er ging langsam zu der kleinen Theke rüber, welche den Wohnbereich von der fast gleich großen Küche trennte. „Wenn es dir so gut geht, wie du behauptest, warum bist du dann nicht wieder zur Flotte zurückgekommen?“, sagte Stocker ruhig, als er etwas Scotch in sein Glas eingoss. Steven drehte langsam den Kopf, wandte sich dann jedoch dem Kaminfeuer zu. „Ich war noch nicht so weit.“, murmelte Steven leise und setzte nach: „Ehrlichgesagt, weiß ich auch nicht, ob ich das je wieder sein werde.“ Der alte Mann kehrte zum Sofa zurück und hielt Steven ein Glas hin. „Blödsinn und das weißt du genau.“ brummte Shawn und setzte sich, nachdem Steven das Glas entgegengenommen hatten. Tief im inneren wusste, Steven das der alte Mann recht hatte. Aber er wollte sich heute nicht auf eine Diskussion mit ihm einlassen. Die letzten acht Jahre als ziviler Ingenieure zu verbringen, war zwar ruhig aber auch irgendwie nicht besonders reizvoll. Er nippte leicht am Scotch und dachte über das Pad nach, welches auf seinem Nachtschrank im Schlafzimmer lag. Sollte er es dem alten Mann geben? War der Wiedereintritt in die Sternenflotte eine gute Idee? Im nächsten Jahr musste eine Entscheidung her, das wusste er. Aber nicht mehr heute.
Die beiden Männer schwiegen einen Moment. Der Sturm hatte draußen nachgelassen und nur das knisternde Feuer im Kamin und das leise Klirren von Eis in Ihren Gläsern war noch zu hören.
Und so ging das Jahr 2402 langsam zu Ende.